1 (1)Jahwe, denk daran, was uns geschah!
/ Schau her und sieh unsere Schmach!
2 Unser Erbbesitz fiel Fremden zu,
/ Ausländer wohnen in unseren Häusern.
3 Wir wurden Waisen, ohne Vater;
/ und unsere Mütter sind Witwen.
4 Unser Trinkwasser kostet Geld,
/ und unser Holz müssen wir bezahlen.
5 Wir haben die Verfolger im Nacken,
/ wir sind erschöpft, man lässt uns keine Ruhe.
6 Ägypten reichten wir die Hand,
/ Assyrien, um uns satt zu essen.
7 Unsere Väter haben gesündigt und sind nicht mehr;
/ wir aber tragen ihre Schuld.
8 Sklaven herrschen über uns,
/ und niemand befreit uns aus ihrer Gewalt.
9 Unter Lebensgefahr holen wir uns Brot,
/ bedroht vom Schwert in der Wüste.
10 Unsere Haut erglüht wie vom Ofen
/ von den Fieberqualen des Hungers.
11 Frauen haben sie in Zion vergewaltigt,
/ und Mädchen in den Städten Judas.
12 Obere haben sie aufgehängt
/ und Älteste entehrt.
13 Junge Männer müssen die Handmühle drehen,
/ Knaben brechen unter der Holzlast zusammen.
14 Die Ältesten beraten nicht mehr im Tor,
/ die Jungen lassen das Saitenspiel.
15 Die Fröhlichkeit unseres Herzens ging dahin,
/ unser Reigentanz hat sich in Trauer verwandelt.
16 Unsere Krone haben wir verloren.
/ Weh uns wegen unserer Sünde!
17 Darum ist unser Herz krank,
/ darum sind unsere Augen trüb:
18 weil Zions Berg verödet ist,
/ nur Füchse streifen noch herum.
19 Du, Jahwe, bleibst in Ewigkeit,
/ dein Thron hat für immer Bestand!
20 Warum willst du uns für immer vergessen,
/ uns verlassen lebenslang?
21 Führ uns zu dir zurück, Jahwe, so kehren wir um!
/ Gib uns neues Leben wie früher!
22 Oder hast du uns ganz verworfen,
/ bist allzu zornig über uns?
Anmerkungen
(1) Inhaltlich entspricht das fünfte Lied ungefähr dem ersten. Die zweizeiligen Strophen folgen aber nicht mehr dem Alphabet.
Klage und Hoffnung
“Der Schluss stimmt völlig mit dem Charakter der »Klagelieder« überein, in dem Klage und Bittgebet bis zum Ende fortgesetzt werden sollten – allerdings nicht ohne ein Element der Hoffnung, wenn sich Letzteres auch nicht zu den Höhen jubelnder Siegesfreude erhebt, sondern es ist nur – wie Gerlach sich ausdrück -, »wie ein ferber Schimmer, gleich dem Morgenstern in den Wolken, der natürlich selbst nicht die Schatten der Nacht vertreibt und trotzdem das nahende Aufgehen der Sonne ankündigt, und diese wird den Sieg bringen«.” (Keil, S.455)
Anmerkungen
Keil, C.F. Biblical Commentary on the Old Testament. Bd.XX, S.455.